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In Zukunft ohne Geld? – Theoretische Zugänge und gelebte Alternativen

von Lennart
Durch die Sunflower-Gespräche neue Gedanken in die Welt bringen

Im Oktober 2021 sind Sascha und Vanessa der Einladung der Sunflower-Foundation gefolgt, nach Stans in die Schweiz zu reisen, um an den Sunflower-Gesprächen teilzunehmen. Die Gespräche finden jährlich statt und die Menschen, die daran teilnehmen, haben es sich zur Aufgabe gemacht, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie das derzeitig vorherrschende, Geld-vermittelte, destruktive und zum Wachstum gezwungene Wirtschaftssystem – und allem voran das Geld – neu gedacht werden kann. Über die Sunflower-Gespräche und die Sunflower-Foundation haben wir letztes Jahr auch einen ausführlichen Artikel unter dem Titel Von den Sunflower-Gesprächen und neuen Gesellschaftsentwürfen berichtet.

Seit 2019 sind die beiden - stellvertretend für die Bewegung - Teil der kritisch-konstruktiven Gesprächsrunde, weil sie vor allem Erfahrungen mit Lösungsansätzen aus der Praxis einbringen können. Sehr viele unserer Projekte wie die Essbare Stadt, die Gartenprojekte, die Schenk-Box sowie die jährlichen Saatgutfeste sind Schritte, um „geldlogikfreie Kreisläufe“ zu etablieren und gleichzeitig alternative Lebensentwürfe zu schaffen. Lebensentwürfe, die fernab der zerstörerischen Abhängigkeit des globalen Marktes funktionieren und einen Wandel hin zu einer sorgsamen und gemeinschaftsgetragenen Versorgung initiieren.

2020 hat die Gruppe an Theoretiker:innen und Praktiker:innen der Sunflower-Gespräche in Tübingen mit einem besonderen Projekt begonnen. Sie beschlossen, ein Buch zu verfassen, in dem sie ihre unterschiedlichen Perspektiven auf das Geld allen zugänglich machen, die Interesse haben, über „anderes Wirtschaften“ nachzudenken oder gleich alternative Lebensentwürfe in die Welt bringen wollen und auf der Suche nach Anregungen und Erfahrungen aus der Praxis sind.

Die Zusammenkunft in Stans diesen Oktober war für Vanessa und Sascha mehr als erfreulich, denn seit dem letzten Treffen 2020 ist vieles geschehen. Durch die Situation rund um Covid-19 konnten keine Tagung mehr stattfinden, um gemeinsam am Buch zu arbeiten. Dennoch wurde im Lauf des Jahres 2020 mithilfe von online-Meetings entschlossen am Projekt gefeilscht, bis es Anfang 2021 so weit war und das Buch unter dem Titel „In Zukunft ohne Geld? Theoretische Zugänge und gelebte Alternativen beim Mandelbaum-Verlag erschienen ist. Das Treffen in Stans war also die erste Zusammenkunft nach der Veröffentlichung des Buches. Ein Wochenende lang wurden die einzelnen Beiträge gewürdigt und der Entstehungsprozess des Buches reflektiert. Die Tagung bot zudem reichlich Gelegenheit für informellen Austausch, gutes Essen, einer privaten Führung durch das Culinarum Alpinum und ausführliche Spaziergänge im idyllischen Stans.

Mit, ohne oder mit anderem Geld? 12 Praktiker:innen und Theoretiker:innen legen ihre Perspektiven in einem Buch dar

Insgesamt sind es momentan 12 Menschen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis aus dem deutschsprachigen Raum, die an den Sunflower-Gesprächen teilnehmen und sich kritisch mit der Frage auseinandersetzen, was Geld ist und wie es im gesellschaftlichen Zusammenhang wirkt. Das Buch ist ein Sammelband von Essays der Autor:innen, in denen sie offenlegen, wie es aus ihrer Perspektive mit dem Geld weitergehen kann. Die Texte beinhalten die momentanen Positionen der Autor:innen, im Wissen darüber, dass diese sich ändern und reifen können und sie dadurch angreifbar werden. In den Essays wird aus den verschiedensten Perspektiven und mit der persönlichen Handschrift der jeweiligen Autor:innen auf die Frage eingegangen, ob es einen anderen gesellschaftlichen Umgang mit Geld braucht, oder ob es geldfreie Wirtschaftsformen braucht, um die umfassenden, globalen Krisen lösen zu können. Einig sind sich die Autor:innen darüber, dass es dringend Veränderung braucht, um ein gutes Leben für ALLE zu verwirklichen.

Das Buch „In Zukunft ohne Geld? Theoretische Zugänge und gelebte Alternativen“ ist in der Reihe kritik&utopie des Mandelbaum-Verlags erschienen. Die Reihe ist die politische Edition des Verlags, in dem sich theoretische Entwürfe genauso wie Reflexionen aktueller sozialer Bewegungen finden.

Herausgegeben wurde das Buch von Sigrun Preissing, Gottfried Schubert und Heidi Lehner, die auch Beiträge für das Buch verfasst und den Essays mit einer verbindenden Einleitung einen Rahmen gegeben haben. Gedruckt wurde das Buch mit der Unterstützung der Sunflower-Foundation.

Zur einer geldfreien PDF-Version kommst du, wenn du auf das Buch klickst - oder über die Homepage des Verlags.

Sigrun Preissing, Gottfried Schubert, Heidi Lehner (Hg.)

In Zukunft ohne Geld? Theoretische Zugänge & gelebte Alternativen

ISBN: 978385476-906-4

Die Autor:innen und ihre Perspektiven auf das Geld

Klappentext: Alle großen Krisen unserer Zeit hängen direkt oder indirekt mit Geld zusammen. Wäre dann nicht ein Wirtschaften ohne Geld notwendig? Oder mit einem anderen Geld, das sozialen und ökologischen Werten entspricht? Wirtschaften mit einem anderen Geld, das heißt: mit neuen Regeln, das können sich immer mehr Leute vorstellen. Aber Wirtschaften ohne Geld? Hier stehen wir am Anfang eines Diskurses, auf den sich die Autor:innen eingelassen haben.

Die Autor:innen beim letzten Treffen im Okober 2021. Leider konnten Ulrike Knobloch, Eske Bockelmann und Hanruedi Weber nicht dabei sein.

Jürg Conzett ist Historiker, Finanzunternehmer, Gründer des MoneyMuseums Zürich und lädt zu den jährlichen Sunflower-Gesprächen ein. In seinem Beitrag „Wollen wir das Geld abschaffen – oder schafft das Geld unsere Gesellschaft ab?“ geht er davon aus, dass sich das Geld selbst abschaffen wird. Er empfiehlt eindringlich, frühzeitig nach Alternativen zum Geld zu suchen.

Eske Bockelmann ist klassischer Philologe, Germanist und Autor der Bücher „Im Takt des Geldes. Von der Genese modernen Denkens“ und „Das Geld. Was es ist, das uns beherrscht.“ In seinem Essay „Geld oder Lerche? Über die Conditio sine qua non eines glücklichen Fortbestands dieser Welt“ analysiert er, warum wir uns eine Wirtschaft mit Geld nicht leisten können, wenn wir unsere Lebensgrundlagen nicht vollständig zerstören wollen.

Ulrike Knobloch hat VWL und Philosophie studiert und promovierte am Institut für Wirtschaftsethik in St. Gallen. Sie hat eine Professur für Wirtschaft und Gender-Studies inne und forscht im Spannungsfeld der bezahlten und unbezahlten Arbeit. Ann-Christin Kleinert hat Design-Pädagogik, Sozialwissenschaften und Gender-Studies studiert. Sie ist Aktivistin und forscht zu gewerkschaftlichen Positionen über Sorgearbeit. Corinna Dengler hat VWL, Internationale Entwicklung und Socio-Ecological Economics & Policy studiert und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Ökonomie und Gender an der Uni Vechta in Niedersachsen, Deutschland. Auch sie ist Aktivistin für Umwelt- und Gendergerechtigkeit. Die drei Autorinnen beziehen in ihrem Text „Gestaltungs- und Transformationsprozesse zukunftsfähigen sorgenden Versorgens“ Stellung aus der Sicht der feministischen Ökonomie und ziehen Lehren aus der momentanen Krisenökonomie. Sie stellen dar, dass es eine wohldurchdachte Demonetarisierung ein wichtiger Schritt hin zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft ist.

Hansruedi Weber ist pensionierter Volksschullehrer mit universitärer Weiterbildung in Philosophie, Sozialpsychologie und Wirtschaftsethik. 2018 initiierte er die Vollgeld-Initiative, die in der Schweiz zur Abstimmung kam. In Beitrag „Mit Geld leben. Geld anders denken“ spricht er sich für ein anderes Geld aus. Ein Geld, das nicht auf Schulden beruht und als Mittel zur gegenseitigen Hilfe von Gemeinschaften selbst erzeugt werden soll.

Heidi Lehner studierte Sinologie, ist Mitgründerin des Modells der Zeitvorsorge und Geschäftsführerin der Sunflower Foundation, wo sie sich mit theoretischen Zusammenhängen zwischen Geld und Gesellschaft, wie auch mit Alternativen dazu intensiv auseinandersetzt. Sie lässt in ihrem Essay „Wie könnte eine Welt ohne Geld aussehen? Oder besser: wie kommen wir zum guten Leben?“ eine junge Anarchistin von ihren Gedanken erzählen. Heidi Lehner reflektiert das Gesagte und zeigt auf, dass sich Lösungen zeigen werden, wenn wir hinter den Schleier des Geldes blicken.

Gottfried Schubert verbringt einen beträchtlichen Teil seines Lebens außerhalb des herkömmlichen Wirtschaftssystems. Er entwickelt seit über 30 Jahren mit anderen zusammen Wirtschaftsformen und -kreisläufe, die das Geld und andere Tauschsysteme verlassen. In seinem Beitrag „Wirtschaften mit, ohne oder mit anderem Geld“ reflektiert er in sehr persönlichem Stil seine Erfahrungen ohne, mit und mit anderem Geld.

Gernot Jochum-Müller ist Social Entrepreneur, Unternehmensentwickler, Co-Gründer der TALENTE Vorarlberg, Co-Gründer der ALLMENDA Social Business und Gründer von „Zeitpolster“. Er ist seit Jahren an der Entwicklung neuer Austauschformen und Zahlungsmittel und einem gesamtgesellschaftlichen Wandel beteiligt. In seinem Beitrag „Dem Monopol entwischen“ berichtet er aus der Praxis der Tauschringe und Regionalwährungen und spricht sich dafür aus, neue Umgangsformen mit Geld zu entwickeln.

Vanessa Rainer ist Biologin, Gärtnerin, Kräuterhexe, Aktivistin und Mitbegründerin von „Verantwortung Erde“. Sie widmet ihre Energie der progressiven Gesellschaftsgestaltung und versucht selbst möglichst ohne Geld zu leben. In ihrem Essay „Geld wächst nicht auf Bäumen. Von der Notwendigkeit das Geld zu überwinden“ reflektiert sie aus tiefer Naturverbundenheit über das Verhältnis zwischen Geld und Welt und plädiert für eine Vielfalt an Lösungen, um das Geld schrittweise zu überwinden.

Sascha Jabali ist Gesellschaftsgestalter und Mitbegründer von „Verantwortung Erde“. Er visioniert - gemeinsam mit anderen - alternative Lebensentwürfe jenseits der Tauschlogik und versucht selbst möglichst frei von Geld zu leben. Er ist einer der Impulsgeber der Schenkkultur in Villach und bringt Konzepte des gesellschaftlichen Wandels auf die politische Ebene. In seinem Beitrag „Vom Tauschen und Schenken“ berichtet er über die Bedeutung von Freiräumen und die Grenzen eines geldfreien Lebens, inmitten einer vom Geld beherrschten Gesellschaft.

Sigrun Preissing ist Commonerin, promovierte Wirtschaftsethologin und Bildungsreferentin für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Neben ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Beitragen und äquivalentem Tauschen ist sie seit mehr als 20 Jahren Teil diverser alternativ-ökonomischen Projekte. In ihrem Essay „Geld auf dem Abstellgleis. Wie wir uns mit Commons von der Geldlogik abkoppeln können“ kommentiert sie eine zukunftsfähige Gesellschaftsutopie des Wirtschaftens ohne Geld aus der Commons-Perspektive und stellt verschiedene Projekte vor.

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