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Wohin mit den 87 Millionen Euro?

von rene

Gerne nehme ich die von Wolfgang Kofler in der WOCHE Villach und dann von 5 Minuten Villach aufgeworfene Frage „Wohin mit den 87 Millionen Euro des Kelag Fonds?“ zum Anlass um ein weiteres Mal auf jene Vision für Villach hinzuweisen, mit der sich unsere Bewegung Verantwortung Erde seit einigen Monaten geistig und auch bereits praktisch auseinandersetzt: Eine „freie und eigenverwaltete Grundversorgung“ für unseren Lebensraum.

Wie in mehreren Gemeinderatssitzungen sowie in einem Interview mit der Kleinen Zeitung Villach angemerkt, sehen wir die nahende Auflösung des Kelag-Fonds als große Chance ein Konzept für diese Idee zu entwickeln und Pilot-Projekte umzusetzen.
Die Marktwirtschaft die wir heute kennen und die sich mittlerweile nahezu auf dem ganzen Planeten – oft mit brutalen Mitteln – durchgesetzt hat, bleibt durch unseren Vorschlag unberührt und soll durch ihn nicht ersetzt werden. Vielmehr starten wir den Versuch aus den großen und offensichtlichen Problemen dieser Marktwirtschaft zu lernen um eine neue, friedliche, bedürfnisorientierte und auf Kooperation basierende Form des Wirtschaftens zu entwickeln. Konkret soll ein „sozial-ökonomisches“ Projekt als parallele Alternative entstehen und gestaltet werden.
In einem ersten Schritt gilt es die Möglichkeit zur Grundversorgung der Ernährung (Ernährungssouveränität) kostenlos zu gewährleisten. In weiteren Schritten die Versorgung mit Energie und Wohnraum sowie die Erhaltung der Trinkwassser-Souveränität.

Warum eigentlich Grundversorgung?

Die Gedanken zur freien Grundversorgung stammen aus dem Gefühl und der Beobachtung, dass sich die ohnehin angespannte Situation auf unserem Planeten stetig zuspitzt. Wälder sind gerodet, Böden vergiftet, Meere verschmutzt und leergefischt, Pflanzen und Tiere sterben aus, immer noch sterben Millionen von Menschen an Hunger, das Klima erwärmt sich, Krieg, Flucht, Depression – Krisen soweit das Auge reicht und (noch) kein Ausweg in Sicht.
Wir sind nicht dazu bereit unsere Zukunft und die Zukunft der Menschen die nach uns kommen sehenden Auges weiterhin zu zerstören und bemühen uns daher darum gemeinsam mit möglichst vielen Menschen und Perspektiven eine Alternative zur Alternativlosigkeit zu entwickeln.

Angesichts des grundsätzlichen, menschlichen Bedürfnisses nach Nahrung und den bereits gestarteten Umdenkprozess mit dem Entschluss des Gemeinderates Villach zur essbaren Stadt zu machen, erachten wir die alternative Organisation der Nahrungsversorgung als geeigneten Start für die angestrebte und umfassendere Grundversorgung.

In Österreich war bereits 2015 weniger als die Hälfte jener Ackerfläche unversiegelt vorhanden, die es bräuchte um die eigene Bevölkerung zu ernähren.
Rund 2000 Landwirte geben alleine in Österreich jährlich ihren Betrieb auf. Oft ist die Leidenschaft zur Lebensmittelerzeugung nach wie vor vorhanden – doch Landwirtschaft kann in unserer Welt bislang nur betreiben, bei wem es sich auch rentiert oder wer es sich leisten kann. Der vorausgesetzte Wettbewerb und die preisliche Konkurrenz zur großindustriellen Landwirtschaft wird für viele Kleinbauern zur Unmöglichkeit, und vertreibt sie von den Feldern, die dann brachliegend auf Bauland-Widmungen warten während wir unser Gemüse z.B. aus Marokko, Ägypten oder Spanien beziehen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit uns Schritt für Schritt aus den Prozessen herauszunehmen, die zwar unseren Konsum bedienen aber anderen Menschen ihre Lebensgrundlagen rauben, Fluchtursachen kreieren und Umweltbelastungen verursachen.
Die großen „Player“ des Weltmarktes produzieren oftmals ohne Rücksicht auf Verluste bei Mensch und Natur. So werden derzeit vor allem in wirtschaftlich ärmeren Regionen Böden und Grundwasser durch den großzügigen Einsatz von Chemikalien vergiftet, Wälder gerodet und durch Monokulturen zu unfruchtbaren Steppen verwandelt. Lebensgrundlagen werden durch „Landraub“ genommen und Menschen werden entwurzelt. Die daraus resultierende Verzweiflung und Perspektivlosigkeit ist eine der Ursachen die dazu führen, dass Menschen ihre Heimat verlassen und – den Brotkrümeln folgend – auch nach Europa flüchten.

Wir sehen in der freien Grundversorgung eine Antwort auf diese Entwicklung weil sie zum Ziel hat einen großen Teil unserer grundlegenden Bedürfnisse mit ressourcen- und umweltschonenden Verfahren in der Region herzustellen. Wenn dies zur Priorität wird, sind die Bauern der Region wieder gefragt die Felder zu bestellen um ihrer Berufung nachzukommen und vielleicht sogar Menschen zu inspirieren, die bislang in ganz anderen Bereichen Tätig waren.

Jede Tomate die aus Villacher Boden wächst anstatt 1000e Kilometer transportiert zu werden, ist Teil der gewaltfreien (R)Evolution.
Die lokale Produktion von Lebensmitteln bedeutet für uns größtmögliche Unabhängigkeit in allen Lebensräumen, somit ein globales Miteinander auf Augenhöhe und letztlich auch Frieden.

In Portugal, Spanien und vor allem Griechenland hat die Bevölkerung die Erfahrung gemacht, dass keine Pensionsversicherung sicher und kein Arbeitslosenanspruch in Stein gemeißelt ist. Die rein auf Geld gebauten „sozialen Netze“ hielten dort nicht wo sich einige „Investment-Banker“ und „Hedge-Fonds-Manager„ verspekulierten bzw. große Gewinne erzielten, woraufhin unzählige Menschen ohne ihr eigenes Zutun aus ihrer vermeintlichen Sicherheit ins Leere fielen.
Diese bitteren Erfahrungen machen erst dann Sinn wenn wir daraus lernen und erkennen welche Tugenden aus dieser Not zwangsläufig entstanden: Lokale Kooperation und Organisation der gemeinsamen Bedürfnisdeckung.

Der für „Arbeitsideologen“ alternativlose Kampf um Beschäftigung ist in unserem Empfinden längst verloren. Durch die sogenannte „Industrie 4.0“ wird erwartet, dass in den nächsten 15 Jahren mindestens 50% der Arbeitsplätze durch technologischen Fortschritt verschwinden – in der Vergangenheit wurden die optimistischsten Erwartungen an technologische Fortschritte sogar maßlos übertroffen. Wir laden dazu ein diese Situation nicht länger als Problem, sondern als Chance zu erkennen um nicht in jene Grube zu fallen die wir uns mit der Förderung von Forschung und technologischer Entwicklung selber graben. Es ist dann gut, dass immer mehr Arbeit von Maschinen erledigt wird, wenn angesichts dessen auch die Rahmenbedingungen der Gesellschaft dementsprechend verändert werden. Dazu bedarf es einem Loslassen alter Denkmuster und einem Zulassen neuer Formen unseres Zusammenlebens und der Organisation unserer Versorgung.

Zwar sind das unbestritten globale Problemstellungen die nicht Villach alleine betreffen – doch schon Mahatma Gandhi sagte: „Sei du selbst die Veränderung die du dir wünscht für diese Erde“.
Für die globale Herausforderung braucht es also lokale Lösungsansätze und Innovationen. Wir möchten diese Verantwortung annehmen.

Grundversorgung? Wie soll das gehen?

Wir schlagen vor, einen Teil der 87 Millionen Euro, die sich derzeit noch im „Kelag-Fonds“ befinden, in den Ankauf bzw. in die Umgestaltung von (Acker-)Flächen, von Betriebsstätten wie Bauernhöfen, Werkstätten und Küchen sowie von Räumen zur Konsumzwangs-freien Begegnung und in Produktionsmittel in Form von Maschinen, Werkzeug, Material usw. zu investieren.
Diese Flächen, Betriebsstätten und Produktionsmittel könnten der Villacher Bevölkerung zwar organisiert – also von der Gemeinde verwaltet – aber dennoch frei in der Nutzung zur Verfügung gestellt werden.
Alle die es wünschen wären dazu eingeladen an dem Projekt (in Eigenverantwortung und unbezahlt) mitzuarbeiten und an den „Zinsen“ in Form von „Fruchtgenuss“ teilzuhaben. Weiters denken wir an die bereits bestehenden Strukturen, wie z.B. Volkshäuser, dazu zu nutzen, die gemeinschaftlich produzierte Nahrung an mehreren Orten, beispielsweise in den verschiedenen Stadtteilen, auch gemeinschaftlich zu verarbeiten und zu essen. Sollten sich die im Besitz der Stadt befindenden Räumlichkeiten nicht dazu eignen, bieten sich die Umgestaltung oder (im äußersten Falle) eben eine Neuanschaffung/Errichtung mit den Mitteln des Kelag-Fonds an.
Wichtig ist hierbei zu betonen, dass jegliche Aktivitäten im Kontext dieser Grundversorgung nicht kommerzieller Natur sein sollen. Nichts soll verkauft oder vermarktet werden – alle Tätigkeit ist freiwillig und „unbezahlbar“ wie auch das Essen kostenlos zubereitet und zur Verfügung gestellt wird.

Wir können uns als Starthilfe für das Projekt in einer Anfangsphase vorstellen in der Stadtverwaltung neue Tätigkeitsbereiche zu schaffen, in welchen jenen Menschen denen ein bäuerliches Dasein aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr möglich ist, in einer Kombination aus solidarischer Landwirtschaft und Grundeinkommen finanzielle Sicherheit zukommt. Damit soll ihnen ermöglicht werden die sich im Besitz der Stadt befindenden und gebrachten Flächen in naturgemäßer Form zu bestellen sowie Hobbygärtner und angehenden Bauern dabei zu helfen es ihnen gleich zu tun. Ähnlich wie die Mitarbeiter des Stadtgartens, des Wirtschaftshofes oder der Stadt-Tankstelle könnte die Stadt für ihr finanzielles Auskommen sorgen – zumindest so lange, bis die freie Grundversorgung in Villach alle Bereiche der Grundbedürfnisse abdeckt.
Wir sind dabei solche Details innerhalb unserer Möglichkeiten zu erarbeiten und freuen uns über gedankliche und tatkräftige Unterstützung aus allen Wirkungsbereichen.

Ist diese „Veranlagung“ krisensicher?

Spätestens seit der globalen Finanzkrise 2008 ist einer breiten Öffentlichkeit bekannt, auf welch wackeligen Beinen die Konstrukte unseres Wirtschaftssystems stehen. Wir in Kärnten wissen aus eigener Erfahrung wie sich Beteiligungen am Finanzmarkt entwickeln können.

Die Investition in Villacher Grund und Boden ist unseres Erachtens nach die „krisensicherste“ Anlagemöglichkeit da sie unabhängig vom globalen Finanzsystem die Verhandelbarkeit von weiteren Teilen unseres Lebensraumes in unsere Hände legt und somit ihre Erhaltung ermöglicht.

Sollte sich herausstellen, dass sich durch die freie Grundversorgung nicht die erwünschte Wirkung ergibt, besteht auch jederzeit die Möglichkeit die angekauften Flächen, Betriebsstätten und Produktionsmittel wieder zu veräußern.

Darüber hinaus können wir mit dieser Form der Veranlagung sicherstellen, dass sich die Zinserträge unseres Vermögens nicht durch eine Beteiligung an z.B. Atomkraft, Landraub, Ausbeutung, Kinderarbeit, Rüstungsindustrie, Lebensmittelspekulation usw. ergeben.

WIR gestalten Zukunft:

Wer nun denkt das wäre nicht Aufgabe der Gemeinde, den laden wir dazu ein die Frage nach den Aufgaben einer Gemeinde selbstbewusster zu beantworten: Wir selbst bestimmen große Teile unserer Aufgaben. Niemand schreibt uns vor eine Therme finanziell am Leben zu halten, keine übergeordnete Behörde bestimmt eine zweite Eishalle zu bauen und kein Gesetz verpflichtet uns eine Tankstelle zu betreiben um die Bevölkerung mit billigem Sprit zu versorgen. Also warum nicht auch eine Ernährungsversorgung organisieren, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird und ihnen zumindest eine Sorge des täglichen Überlebenskampfes nimmt?

Villach hadert seit vielen Jahren mit hoher Arbeitslosigkeit, also fehlender bezahlter Lohnarbeit. Dies bedeutet aber keineswegs, dass es in unserer Stadt nicht Aufgaben gäbe, die zu erledigen wären und schon gar nicht, dass sich all diese Menschen lethargisch in die soziale Hängematte legen möchten. Viel mehr sind sie in unserem derzeitigen System zu Untätigkeit verdammt, wenn sich niemand findet der ihre Tätigkeit bezahlen kann. Diesen Menschen eine Möglichkeit zu bieten sich frei vom Druck und den Zwängen der Dynamik unserer Marktwirtschaft (aus Geld mehr Geld machen und sich in Konkurrenz stehend rentieren müssen) zu entfalten und vielleicht gar einen Beitrag zum „großen Ganzen“ erbringen zu können, würde unserer Einschätzung nach ungeahnte Potentiale befreien.

In Kombination mit den Möglichkeiten jener kreativen und innovativen Menschen, die das Glück haben bereits als Experten und Pioniere in unserer Stadt wirken zu können und trotzdem oder gerade deshalb Interesse an dieser neuen Form der Gesellschaftsgestaltung finden, malen wir uns eine Utopie aus (eine Freiheit die wir uns bewahren möchten) in der wir leben möchten und deren Realisierung näher liegt als man auf den ersten Blick vermuten möchte.

Ob mit Gemeinderatsbeschluss oder ohne – wir sind entschlossen diese Vision zu entwickeln und machen diese Entscheidung nicht von den Millionen des Kelag-Fonds und den Möglichkeiten einer Stadtverwaltung abhängig – wenngleich sie den Prozess aber ohne Zweifel erheblich erleichtern und beschleunigen könnten.

Daher laden wir alle Menschen in und außerhalb der Politik ein:
Denken wir außerhalb jenes Rahmens, den wir gewohnt sind zu denken und nutzen wir die Auflösung des Kelag-Fonds, die hervorragenden Rahmenbedingungen in unserem Lebensraum, die Kreativität und Herzlichkeit seiner Bewohner um mit Blick über den Tellerrand eine Zukunftsperspektive zu entwickeln, die unserer Verantwortung dem Planeten, nachkommenden Generationen und nicht zuletzt uns selbst gegenüber gerecht wird.“

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