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Boden schützen, Leerstand nützen!

von Gerald Dobernig

UPDATE 11.3.2020: Es ist uns ein großes Anliegen bei in unserem Wirken so hochwertung und exakt wie möglich zu arbeiten. Wir haben in den letzten Tagen sehr viel, sehr positives Feedback von allen Seiten erhalten, für das wir uns herzlich bedanken möchten. Wir wurden auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Benützung von Einwohnerzahlen aus der Vorperiode zu leichten Abweichungen geführt hat. Diese haben wir im Sinne eines möglichst aktuellen Datenstandes nun bereinigt. Die genauen Werte für m² je Einwohner haben sich dadurch leicht verändert. Die Grundaussagen der Zahlen bleiben dadurch jedoch gänzlich unverändert. Bei Fragen zu den kommunizierten Zahlen wendet euch bitte an gerald@verantwortung-erde.org.

Wie wohl die meisten Leser*innen dieses Beitrages wissen, setzen wir uns als Verantwortung Erde seit Jahren für den Schutz unserer Böden ein. Böden sind für uns mehr als verwertbare Kapitalanlagen. Böden stellen für uns einen elementaren Teil unserer Lebensgrundlage dar. Nicht zuletzt weil

  • Über 90 % unserer Nahrung aus dem Boden kommt;
  • Boden Lebensraum für eine unschätzbare Zahl an verschiedensten Lebewesen ist;
  • Böden als Retentionsfläche bei Extremwetterereignissen Unmengen an Wasser speichern (oder bei Verbau eben auch nicht);
  • Böden große Mengen Kohlenstoff speichern;
  • Naturbelassene Böden die Umgebung kühlen (oder bei Verbau aufheizen);
  • Böden eine schadstoff-filternde Naturschutzfunktion erfüllen;

Sehen wir Bodenschutz vor allem auch als Schutz unseres Lebensraumes, dessen Ökosystem auch den Menschen schützt und ernährt!

Menschen, die sich mit diesem Thema – wenn auch nur entfernt – außeinandergesetzt haben, ist bei Betrachtung des Umgangs mit der Lebensgrundlade Boden in Kärnten und in Villach wohl klar, dass hier in den letzten Jahrzehnten einiges schief gegangen und aus dem Ruder gelaufen ist. Der Logik folgend, immer weiter wachsen zu müssen und gleichzeitig Kosten zu sparen, wurde sehr oft die „grüne Wiese“ als billigste Baugelegenheit identifiziert.

Viele unabhängige Studien kommen hierbei zu dem Schluss, dass Kärnten gemeinsam mit dem Burgenland und Niederösterreich in der Kategorie der Flächeninanspruchnahme österreichweit alle anderen Bundesländer abhängen.

Wir haben uns die Situation in Villach im Vergleich zu den anderen fünfzehn größten Städten Österreichs angesehen. Die Auswertungen beruhen auf Daten des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen und die Definitionen haben wir vom Umweltbundesamt übernommen.

Hierbei sehen wir, dass Villach in % der Gesamtfläche gesehen einen Spitzenwert in Österreich einnimmt. Gerade vor dem Hintergrund, dass Kärnten kein Bodenmusterland ist, ein sehr überraschendes Ergebnis.

Wir haben jedoch etwas genauer hingesehen. Mit dem Wissen, dass Villach über eine sehr große Fläche (Villach ist die flächenmäßig zweitgrößte Stadt in Österreich) und eine relativ geringe Einwohnerzahl verfügt, ist es naheliegend, dass wir weniger der Gesamtfläche benutzen und benötigen.

Zur Erklärung ein Beispiel: Zwei Städte haben je 1000 Einwohner. Gehen wir davon aus, dass Stadt A eine Fläche von 200.000 m² zur Verfügung hat und Stadt B eine Fläche von 1.000.000 m². Nun verbaut Stadt A eine Fläche von 100.000 m² und Stadt B eine Fläche von 400.000 m². Stadt A würde hierbei auf eine prozentuelle Flächennutzung von 50 % kommen. Stadt B würde nur eine prozentuelle Flächennutzung von 40 % kommen. Ist Stadt B nun nachhaltiger, obwohl sie 4x so viel Fläche verbaut hat?

Stadt A Stadt B
Einwohner 1 000,00 1 000,00
Gesamtfläche in m² 200 000,00 1 000 000,00
Verbauung in m² 100 000,00 400 000,00
Grünanteil 50% 60%

Wir wollten einen Vergleich mit anderen Städten ziehen, um zu sehen, ob wir mit unseren großen Flächen sparsam umgehen und haben darum die Flächeninanspruchnahme ins Verhältnis zur Einwohnerzahl gesetzt.

Plötzlich zeichnet sich hierbei ein sehr konträres Bild ab. Anstatt drittbeste zu sein, ist Villach nun an drittletzter Position, was die Bodensparsamkeit angeht.

Wenn wir nun unser Eingangsbeispiel fortsetzen und uns die Flächeninanspruchnahme pro Einwohner ansehen, kommen wir zu einem sehr veränderten Bild:

Stadt A Stadt B
Einwohner        1 000,00            1 000,00
Gesamtfläche in m²    200 000,00    1 000 000,00
Verbauung in m²    100 000,00       400 000,00
Grünanteil 50% 60%
Inanspruchnahme pro Einwohner in m² 100 400

Somit benötigt Stadt B pro Kopf vier Mal so viel Fläche, um die Bedürfnisse ihrer Bewohner zu stillen wie Stadt A. Dies lässt darauf schließen, dass Stadt B nicht sehr verantwortungsvoll mit der knappen Ressource Boden umgeht.

Umgerechnet auf reale Städte lässt sich hierbei sagen, dass Villach für seine ca. 62.000 Einwohner rund 30 Millionen m² in Anspruch nimmt, während bspw. Salzburg für fast 2,5 x so viele Einwohner (ca. 150.000) nur 34 Millionen m² benötigt.  Salzburg schafft es also, auf circa. 13 % mehr Fläche die Bedürfnisse von rund 150 % mehr Menschen zu stillen.

Die Gründe hierzu sind vielfältig. Vordergründig haben wir diesen verschwenderischen Umgang jedoch zwei in der Stadtplanung anzusiedelnden Punkten anzukreiden. Zum einen führt das seit Jahrzehnten mangelnde öffentliche Verkehrssystem dazu, dass Villach enorm viel Platz für Straßen und Parkplätze verbraucht. Zum anderen ist die augenscheinlich sehr planlose Stadt- und Bauentwicklung frei von jeglichen Nachhaltigkeitskriterien. Anschaulich wird dies am Beispiel Maria Gailer-Straße. Hier wurden in den letzten Jahrzehnten sehr viel gebaut. Und gebaut wurde vor allem in die Breite. Sehr viele ebenerdige Geschäftsflächen werden von – in der Grundfläche noch einmal anderthalb Mal so großen – Parkplatzflächen begleitet. Wenn sich die Stadtpolitik schon dafür entscheidet, dieses großräumige Gebiet der Natur abzuringen, um darauf Geschäftsflächen zu bauen, hätte eine sorgsame Städteplanung zumindest dafür Sorge tragen müssen, dass die Gebäude dort insgesamt höher und die Parkplätze unterirdisch gebaut werden. Kurzgesagt, das Baugeschehen hätte verdichtet werden müssen.

Hinzu kommt noch der traurige Umstand, dass riesige Leerstandsflächen in diesem Gebiet (OBI, alter Neukauf,…) nicht neu genutzt wurden. Dennoch wird es nach wie vor als sinnvoll erachtet, für bspw. ein Gartencenter Waldflächen in diesem Gebiet zu roden.

Der Bereich um die GAV / Maria Gailer-Straße ist hier nur ein Beispiel wie unsere Stadtentwicklung dazu führt, dass Villach so alarmierende Ergebnisse bei der Flächeninanspruchnahme erreicht.

Uns war es wichtig, mit der Erhebung der vorhandenen Zahlen ein Problembewusstsein zu schaffen, um es künftig besser machen zu können. Hierzu haben wir initial im Villacher Gemeinderat drei Anträge eingebracht, die darauf abzielen:

  • Vorhandene Leerstandsflächen in Villach zu erheben
  • Diese Leerstandsflächen aktiv an Projektwerber heranzutragen
  • Eine Gebührenreform durchzuführen, die das Bauen auf der grünen Wiese nicht länger zur billigsten Alternative macht
  • Jeden künftigen Umwidmungsantrag im Gemeinderat mit folgenden Informationen zu ergänzen:
    • Gibt es leerstehende Gebäude, die zum Projektzweck verwendet werden könnten?
    • Gibt es bereits versiegelte Flächen, die für den Projektzweck verwendet werden könnten?
    • Gibt es bereits umgewidmete Flächen, die für den Projektzweck verwendet werden könnten?
    • Ist das Projekt, und somit die Umwidmung, in allgemeinem öffentlichem Interesse?

Die Anträge findet ihr hier, hier und hier.

Zwar sind unsere Vorschläge nur kleine Schritte in der Verbesserung der Situation unserer Stadt. Doch wir empfinden es als wichtig, überhaupt damit anzufangen und unsere Verantwortung wahrzunehmen. Wir hoffen, dass dieses Problem endlich anerkannt wird und der enorme Flächenfraß in Villach nicht weiterhin aus politischem Kalkül  beschwichtigend grün gefärbt wird. Es ist höchste Zeit, die Tragweite unserer Entscheidungen und die Langfristigkeit dieser Zerstörung von Lebensgrundlagen anzuerkennen und auf dieser Grundlage einen neuen, schützenden Umgang mit dem Boden zu entwickeln.

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