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„Es geht um Leben und Tod“ – Rede zum Budget 2019 im Villach Gemeinderat

von Gerald Dobernig

Unwetter 2018

….Geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Diese radikale Aussage stammt ausnahmsweise nicht von mir, sondern von UNO-Generalsekretär Antonio Gutterez, der am vergangenen Sonntag mit diesen klaren Worten den Klimagipfel im polnischen Katowice eröffnete – und dafür bin ich ihm ehrlich dankbar!.

Die Lage ist ernst! Das scheint nun endgültig bis in die höchsten Sphären der Weltpolitik vorgedrungen zu sein.

Und so befinde ich mich dieser Tage und Wochen in einem Wechselbad der Gefühle.
Einerseits bin ich, obwohl ich mich seit Jahren mit dieser Thematik auseinandersetze, ernsthaft beunruhigt. Beunruhigt weil einzutreffen beginnt wovor all die Prognosen und Studien und auch die eigenen Beobachtungen schon lange gewarnt haben.
Andererseits schöpfe ich aus der großen Aufmerksamkeit, die dem Klimawandel derzeit zukommt und der Sensibilität, die dadurch entsteht, auch Hoffnung.
Hoffnung, dass die lange nur abstrakt erscheinenden Gedanken und Erklärungsversuche nun durch ihre Manifestation in Form von Hitze-Perioden, Hagel-Ungewittern, Hochwasser, gewaltigen Sturm-Böen, usw. spürbar und greifbar werden. Und dass sich auch anderen Menschen jene Notwendigkeit und Entschlossenheit zu handeln aufdrängt, die unsere Bewegung überhaupt erst ins Leben gerufen hat.
Ein unbestritten brutaler Lernprozess – aber auch ein Schicksal, das wir als Menschheit selbst zu verantworten haben.

Ganz persönlich hoffe ich auch, dass für den ein oder anderen beim Blick in die Zeitung, in den Fernseher, in das Internet, oder einfach nur aus dem Fenster klar wird, dass es bei all unseren Anträgen, Anfragen, Aktionen und Wortmeldungen nie darum gegangen ist, und es auch jetzt nicht darum geht, irgendjemanden zu ärgern, anzugreifen oder anzuprangern…
Vielmehr sind wir darum bemüht, durch unser Hinweisen auf die Entwicklungen auf unserem Planeten jene gedankliche Grundlage zu schaffen, aus der wirksame Maßnahmen überhaupt erst entstehen können. Wir müssen erst wissen, dass wir ein Problem haben bevor wir uns zur Lösung aufmachen können.

Die ausführliche Berichterstattung im Zuge der derzeit tagenden Klimakonferenz bietet außerdem eine Möglichkeit, von der ich nach unzähligen Versuchen die Dringlichkeit der Lage hier an diesem Rednerpult, in Form Texten oder auch in persönlichen Gesprächen zu beschreiben heute gerne gebrauch machen werde: Nämlich viel berufenere Menschen, Experten auf ihrem Gebiet zu Wort kommen zu lassen….

In einem Artikel zum Weltbodentag schreibt die Kleine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 05.12.2018:
Kärnten verliert den Boden unter den Füßen!

Alarmierend hoher Bodenverbrauch von umgerechnet 55 Bauernhöfen pro Jahr. Ökosoziales Forum Kärnten fordert zum Weltbodentag am 5. Dezember wirksame Maßnahmen gegen den Bodenverbrauch im neuen Kärntner Raumordnungsgesetz.
In Kärnten gehen täglich rund 2 bis 3 Hektar an landwirtschaftlicher Nutzfläche verloren, weil sie verbaut oder versiegelt werden. Das entspricht einer Fläche von rund 55 Kärntner Bauernhöfen pro Jahr. Die jedem Einwohner zur Verfügung stehende Agrarfläche liegt in Kärnten mit 1.100m2 bereits jetzt unter dem Schnitt vergleichbarer Bundesländer und sinkt jährlich. Im Umkehrschluss liegt Kärnten mit 361m2 bei der versiegelten Fläche pro Person im traurigen Spitzenfeld Österreichs. „Diese dramatischen Zahlen zeigen, dass wir Raubbau an der Ressource Boden betreiben!“ bezieht der Präsident des Ökosozialen Forums Kärnten, DI Mag. Bernhard Rebernig, anlässlich des Weltbodentages am 5. Dezember Stellung. Rebernig fordert einen sorgsameren Umgang mit dem Boden, denn er ist nicht nur die Grundlage der regionalen Lebensmittelproduktion sondern hilft auch bei der Regulierung von Hochwasserereignissen und bei der Stabilisierung des Klimas. Immerhin kann ein Kubikmeter Boden etwa 300 Liter Wasser aufnehmen und bis zu 120 Tonnen CO2 speichern.
In einem weiteren Artikel, ebenfalls in der Kleinen Zeitung, steht am 17. November.2018
„Ohne Insekten erstickt die Welt in Kot“
Eines der größten Massensterben seit 542 Millionen Jahren findet direkt vor unseren Augen statt. Opfer sind erst die Insekten – und danach wir Menschen.

„Die Artenvielfalt und die Menge der Bienen, Schmetterlinge, Käfer und anderer Insekten verschwinden heute tausend bis zehntausend Mal schneller als jemals in der Erdgeschichte. Das Endstadium des Zusammenbrechens ist das komplette globale Erlöschen vieler Arten, die dann für immer verschwunden bleiben.“
Es ist, wie man anhand fossiler Funde belegen kann, eines der größten Artensterben seit der Entwicklung höherer Lebewesen vor 542 Millionen Jahren.
Die Folgen treffen alle, die von und mit Insekten leben. Süßwasserfische etwa, deren Nahrung zu 90 Prozent aus Insekten besteht. Vögel, denen das Lebend-Futter ausgeht, was schon jetzt ein Grund für das nachweisbare Vogelsterben ist. Menschliche Nutznießer, denen die Kerbtiere durch Pflanzenbestäubung, Honig und andere Tätigkeiten weltweit Leistungen in dreistelliger Milliardenhöhe abliefern. „Außerdem sind Insekten an vorderster Front am Abbau von Biomasse beteiligt“, sagt Segerer. Klingt harmlos, aber: Wenn tote Tiere und Kot nicht mehr von Insekten verarbeitet werden, müssen Bakterien und Pilze ans Werk, was viel länger dauert. Segerers Schreckensvision: „Dann ist die Welt voll Schimmel und Verwesung und erstickt in Kot!“
Schuld am bevorstehenden Elend ist – der Mensch. Segerer nennt mehrere Hauptgründe. Erstens die intensive Monokultur-Landwirtschaft ohne Hecken, Büsche und ohne ungemähte Wiesen. Zweitens die „verheerende Überdüngung“ Drittens der Flächenfraß, der immer mehr Rest-Natur unter Beton- und Agrarwüsten begräbt.

Wenn wir so weiter machen, weiter versiegeln und zerstören befinden wir uns laut Herrn Segerer also schon bald Kopfüber in einem großen Haufen….Kot! Keine besonders appetitliche Perspektive….Und doch! Wenn man die Zeitung weiter blättert sieht man neben Slogans wie „Villach – Boom-Town“ oder „Villach wächst“ Menschen in Anzügen, mit Bauarbeiter-Helmen (manchmal auch Roboter) fröhlich Spaten in Erde stecken, um sie dann erst recht wieder unter Beton zu begraben.

Ob der Anlauf für den Sprung in den Haufen tatsächlich Freude bereitet, wage ich in unserer Welt der Fassaden nicht zu beurteilen. Wovon ich hingegen überzeugt bin ist, dass diese Freude, wenn überhaupt, nur von kurzer Dauer sein kann.
Denn unser zum endlosen Wachstum gezwungenes, kapitalistisches System stößt unweigerlich an Grenzen. Seine eigenen oder jenen des (begrenzten) Ökosystems Erde.

Ich denke also, dass wir gut damit beraten sind, schon heute die Weichen in eine Postwachstumsgesellschaft – also in eine Zeit nach dem Kapitalismus – zu stellen.

Die gute Nachricht ist, dass in Villach durchaus schon erste Lichtblicke erkennbar sind, die in diese Richtung deuten. Initiativen wie das Re-Use-Projekt bei den Saubermachern, der Beitritt zum Bodenbündnis, die sogenannten „Bienentankstellen“, die Flächen die der Bevölkerung zur Beplanzung zur Verfügung gestellt werden, das „Geschirr-Mobil“, der Entschluss Villach zur essbaren Stadt zu machen und nicht zuletzt unzählige Zivilgesellschaftliche Projekte sind als erste, kleine Schritte auf einem langen Weg anzuerkennen und zu würdigen.

Auch in den Debatten des Gemeinderates befindet sich einiges in Entwicklung.
Bürgermeister Günther Albel betonte und wiederholte in der vergangenen Sitzung des Gemeinderates zurecht die Feststellung, dass der „Klimaschutz DAS zentrale Thema der Zukunft und Gegenwart“ sei.
Von selber Seite ist aber auch immer wieder zu hören, dass das Budget „in Zahlen gegossene Politik“ ist.

Wenn wir uns diesen vorliegenden Vorschlag des Budgets ansehen – und dank unserem eifrigen Finanz-Team kann ich heute ruhigen Gewissens behaupten, dass auch wir das getan haben– sieht man schnell, dass Maßnahmen, die darauf abzielen dem Klimawandel entgegenzuwirken und den Kollaps unseres Ökosystems zugunsten einer lebenswerten Zukunft zu verhindern, leider weiterhin nur weit am Rande und noch lange nicht im Zentrum der finanziellen Prioritäten zu finden sind.

Um das Budgetverhältnis in Zahlen auszudrücken:
Wir diskutieren heute über ein Gesamtbudget von 238 Millionen Euro
Von diesen € 238 Millionen Euro sind im vorgelegten Budget für die beiden Posten „Natur- und Umweltschutz und „Natur- und Landschaft-Schutz“ gemeinsam 703.000 Euro vorgesehen – das sind 0,3 % des Budgets. Zieht man hiervon Gehälter, Bezüge, IT-Equipment, Handyrechnungen, Mitgliedsbeiträge bei Organisationen und dergleichen ab, bleiben 200.500 für Maßnahmen übrig. Das sind 0,084 % oder 0,8 Promille des Budgets.

Dem gegenüber stehen 2,2 Millionen Euro für „wirtschaftspolitische Maßnahmen“, davon mehr als € 1,4 Millionen Euro für das Stadtmarketing und somit allein dafür die doppelte Summe wie für den Natur- und Umweltschutz.

Zusätzlich gibt es 841.000 für Maßnahmen zur Förderung des Fremdenverkehrs oder kurz: für „Tourismuswerbung“

Rund € 500.000 jährlich für die privat geführte Kärnten Therme

Auch das Congress Center benötigt € 1 Million Euro an Kapitalspritze durch die Stadt.

700.000 Euro sind für den Ankauf einer Fläche für jene zweite, ZWEITE (!) Eishalle vorgesehen die laut Medienberichten schlussendlich 9-11 Millionen Euro kosten soll.

Und mindestens genauso eindrücklich wird diese Gegenüberstellung beim Thema Verkehr.

Während uns der öffentliche Verkehr ca. € 700.000 Wert ist, sind für den Straßenbau unfassbare 8,6 Millionen Euro vorgesehen. Rechnet man die 1,5 Millionen Euro für Parkplätze und Verkehrsberuhigte Zonen hinzu kommt man auf rund 10 Millionen Euro, was der mehr als 14fachen Summe des Budgets für öffentlichen Verkehr entspricht.
Eine, meines Erachtens nach, fatale Gewichtung der wir daher auch keineswegs zustimmen können und werden.

Ich weiß schon, dass es keine einfache Aufgabe ist, all die Anliegen in einer Stadt in einem begrenzten Budget unterzubringen. Und ich habe dir, lieber Günther (Albel), auch nie verschwiegen, dass ich dich um deinen Job nicht beneide. Doch ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass all diesen Anliegen von all diesen Menschen und Lobbys, vom begeisterten Eishackler, bis zum Vorstand eines Großkonzerns, vom überzeugten Autofahrer bis hin zu den Thermen-Gastronomen ein Anliegen bzw. eine Voraussetzung zugrunde liegt: der eines bewohnbaren Planeten. Dies ist die Grundlage auf der andere Anliegen überhaupt erst erfüllt werden können.

Bundespräsident Van der Bellen sagte im Vorfeld der Klimakonferenz in Katowice
„Es geht um unser aller Zukunft – wir haben nur diesen einen Planeten Erde“.
Und in seiner Rede bei der Konferenz selbst: „Wir sind die erste Generation, die mit schnell ansteigenden Temperaturen konfrontiert ist – und wir sind wahrscheinlich die letzte, die etwas dagegen tun kann.

Ich habe keinen größeren Wunsch, als mich mit euch allen, und noch vielen anderen gemeinsam, dieser größten Herausforderung unserer Zeit zu stellen. Sie (wie von Bürgermeister Albel angeregt) ins Zentrum unseres Denkens und Handelns zu setzen und zu unserer gemeinsamen Priorität zu machen. Nicht länger als Gegenspieler um die Wählergunst konkurrierend und uns deshalb gegenseitig blockierend, und auch nicht im Wettbewerb mit anderen Städten und Gemeinden. Vielmehr als Bewohner dieses Planeten in Zusammenarbeit, als Menschen, über all unsere vermeintlichen Grenzen wie Partei-, Religions-, Staats-Zugehörigkeiten hinweg kooperierend.
Lasst uns die Köpfe zusammenstecken und all unsere Perspektiven, Erfahrungen und Ideen bündeln, um Villach zu einem blühenden und leuchtenden Beispiel dafür zu machen, dass eine andere Welt und ein Leben im Einklang mit unserem Planeten möglich ist. Lasst uns Verantwortung übernehmen. Wir sind dazu bereit.

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